Persönliche Stellungnahme von Klaus-Heinrich Weber, Hüttenberg
zum neuen Regionalplan Mittelhessen, Planung für Hüttenberg
März 2022
Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser!
Ich möchte mich in dieser Stellungnahme gegen die Ausweisung von 40,8 ha (408.000 qm !!) sehr gutem, fruchtbaren Ackerland als Gewerbefläche aussprechen.
Sicher haben Sie schon viele, teils hochwissenschaftliche Stellungnahmen zum neuen Regionalplan Mittelhessen gelesen, deshalb möchte ich Ihnen einfach nur eine Geschichte erzählen:
Ich werde in diesem Monat 68 Jahre alt, wurde also neun Jahre nach Ende des
2. Weltkriegs geboren.
Ich habe einen meiner Großväter nie kennengelernt, er war Müller in unserer Dorfmühle, wurde spät eingezogen und kam nicht mehr aus dem Krieg zurück.
Meine Großmutter stand mit vier Kindern allein. Fast alles war zusammengebrochen und musste neu aufgebaut werden.
Meine Mutter und mein Vater (beide über 90 Jahre alt) erzählen uns manchmal von dieser Zeit, von welcher ich selbst noch einen Teil als Kind miterlebt habe.
Meine Großmutter stand nach dem Krieg mit 4 Kindern allein. Zum Glück lebten sie in einem Dorf. Es gab Familie und Nachbarn.
Zum Glück hatte damals fast jede Familie eine kleine Landwirtschaft. Meine Oma hatte Ackerland, einen Garten, Kühe, Schweine und Hühner.
Das Ackerland konnte ohne viel Technik mit dem Kuhgespann bearbeitet werden, es gab Milch, Getreide für Brot, Kartoffeln, Eier und bei guter Vorratshaltung (ohne Kühlschränke und Gefriertruhen) auch immer wieder mal ein Stück Fleisch.
Es gab viel Arbeit – aber alle hatten immer genug zu essen.
Heute ist alles anders.
Ich lebe immer noch im Dorf. Mein anderer Großvater hat nach dem Krieg eine Gärtnerei aufgebaut und dort in den ersten Jahren nach dem Krieg das Dorf mit Samen, Gemüsepflanzen usw. versorgt. Die Gärtnerei gibt es noch. Dort wurde in den letzten Jahrzehnten u.a. viel Gemüse angebaut und auf den Märkten in Gießen und Wetzlar verkauft. Wir haben einen großen Garten, Gewächshäuser. Wir wissen noch, wie man säht und erntet.
Warum erzähle ich Ihnen das alles?
Aus aktuellem Anlass:
Inzwischen leben wir in einer anderen Zeit. In den Gärten an den Häusern wächst Rasen statt Gemüse, Die Felder um das Dorf herum sind groß geworden, es wird überwiegend Getreide und Mais angebaut. Gemüse, Kartoffeln, Eier, Fleisch, Äpfel gibt es im Supermarkt. Sie werden von irgendwo hertransportiert. Alles läuft reibungslos.
Jeden Tag werden neue große Ackerflächen zu Bau- und Gewerbeflächen. Wir brauchen das.
Und dann ist auf einmal Krieg.
Russland marschiert in der Ukraine ein.
In der Ukraine und in Russland werden 30 % der weltweiten Getreideernte produziert.
Im Krieg wird viel zerstört. Wen kümmert es (zunächst) ob im Krieg Ackerland und Getreidefelder zerstört werden? Es werden Straßen und Häfen zerstört. Das ist (später) schlecht für den Transport von Getreide zu uns.
Wenn das Getreide knapp wird, stehen wir vor der Wahl: Schnitzel oder Brot?
(60 % des Getreides wurde bisher zu Viehfutter..).
Wenn dann Benzin teuer oder knapp wird, weil es Versorgungsprobleme bei Öl und Gas gibt, klappt es nicht mehr so reibungslos mit dem Transport zum Supermarkt.
Was tun wir, wenn die Supermärkte leer werden und die Wohnungen kalt?
Gegen Kälte kann man was tun. Es gibt Kuscheldecken.
Was tun wir gegen Hunger, wenn unsere Äcker zu Gewerbeflächen geworden sind und die Lieferketten zusammenbrechen?
Ich habe das (nach dem Corona-Toilettenpapier-Erlebnis..) einmal gedanklich durchgespielt.
Sie sollten es auch einmal versuchen.
Vorsicht: Es macht Angst!
Wissen wir jetzt, warum wir unser Land, unsere Äcker, unsere Gärten vor Ort brauchen?
Lernen wir daraus?
Wie schnell vergessen wir es wieder?
So viel zu meiner Geschichte.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Klaus-H. Weber